Ilse Brem

Literatur

Leseproben und Rezensionen 

Stimmen und Kommentare

Das Gedicht stellt für Ilse Brem eine Naturnotwendigkeit dar. Sie schreibt, um existieren zu können. Einer natürlichen Ästhetik folgend, verbindet sie tradierte und traditionelle Sprechmuster mit den Ergebnissen der Poesie. Die Gedichte sind wie Atemzüge, Versuche, dem verletzten Menschen zu helfen. Ahnungen, Erinnerungen, Sehnsuchtsträume, Alpträume. Wundertrunkenheit und aschgraue Verzweiflung über die drohende Selbstzerstörung des Menschen stehen nebeneinander. Die Täuschungsmanöver werden durchschaut. Aber das ist nur ein Teilaspekt. Hinter dem Leid blüht zauberisch eine Welt, die vom Gleichnis träumt. Ilse Brem hofft auf das Morgen, auch wenn das Heute das Gestern ist. Tapfer bietet sie der frostigen Welt die Stirn. Ihre Gedichte sind Zeugnisse eines allseitigen Erlebens. Klarer Verstand und eine farbige Phantasie verschwistern sich in ihrer Poesie. Sie versteht es, inneres und äußeres Erleben in sprachlich vollendeter Form zu übermitteln. Daß Ilse Brem eine der wenigen ernstzunehmenden Lyrikerinnen der Gegenwart ist, hat sich hoffentlich schon herumgesprochen.

PAUL WIMMER, NÖ KULTURBERICHTE, JULI/AUGUST 1993

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Die Lyrikerin Ilse Brem gehört zu den Doppelbegabungen, bei denen die eine der von ihnen beherrschenden Kunstsparten die andere ergänzt. Die zarten Federzeichnungen der Autorin entsprechen in vollkommener Weise ihren pastellfarbenen Gedichten. Ihre Sprache ist biegsam und geschmeidig, was besonders in ihren knappen Formulierungen beeindruckt. Aber Ilse Brem meistert auch längere Formen in überzeugender Weise, wobei es ihr imponierend gelingt, das rein Rhetorische zugunsten des kontrapunktisch Gestalteten abzubauen.

ALBERT JANETSCHEK, LITERATUR Aus ÖSTERREICH 1989

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Ohne Wortverrenkungen, originell, ohne Ballungen, dicht, ohne extravagante Sensationen, fesselnd, ohne die Sprache zu komplizieren, komplizierte Empfindungen ohne Indiskretion, leidenschaftliche Liebe, das sind einige Abgrenzungen, was für ein weites Gebiet von Ilse Brem umwoben und umkreist wird. Es ist eine Lyrik, indem sie aus- und anspricht, niemals lauthals singt, doch melodisch summt und flüstert.

FRANZ RICHTER, DIE FURCHE VOM 23.1.1992

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Ilse Brems Gedichte haben etwas zu sagen, Sie sind nicht Lyrik als Spiel, sondern Lyrik als Botschaft. Das Endliche erscheint schon durch den Sprachzauber transzendiert, öffnet sich dem Unendlichen: das Wissen um Leid und Trauer, falsche Hoffnungen und echten Trost, um illusionsfreie Wahrheit und um das individuelle Streben nach menschlicher Anständigkeit eröffnet sich in Klang, Rhythmus und Ton und in der Ausdrucksweise des Indirekten im Lyrischen. Die Klarheit und Sicherheit des Gefühls, der Röntgenblick, der durch alle Heuchelei und Illusion dringt, die ruhige Bestimmtheit der Urteile: das alles sind zweifellos Ergebnisse nicht nur ungewöhnlicher Sensibilität und eines hochentwickelten Einfühlungsvermögens in andere, sondern auch bewältigter harter persönlicher Schicksale, so daß die Maximen ihrer Gedichte Bewältigungshilfen sind für die Enttäuschten, Beleidigten, Erniedrigten. Durch die erreichte Reife und Stärke, durch den Mut und die Liebesfähigkeit der Autorin haben sie etwas sehr Tröstliches an sich. Ilse Brems Gedichte gehören zum wenigen Bedeutenden der österreichischen Literatur unserer Zeit.

JOSEPH P. STRELKA, STATE UNIVERSITY OF NEW YORK AT ALBANY / MODERN AUSTRIAN LITERATURE 2 (1994)  

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Da Ilse Brem sich nicht nur durch das Wort, sondern auch in Linie, Zeichen und Farbe ausdrücken und mitteilen kann, führen uns Wort und Bild zart und behutsam in eine poetische Welt ein, in der Begriffe wie Liebe, Schönheit, Hoffnung und Glauben kein billiger Schein sind, sondern die Stützpfeiler der Existenz. Sie geht mit diesen Werten, mit der Welt, mit den Menschen und mit den Worten vorsichtig um. Die Fähigkeit und der Wille, miteinander in Liebe und ohne Haß zu sprechen, ist ein wichtiges Anliegen ihrer Gedichte. Sie bringt den betroffenen Erfahrungs- und Schmerzensgenossen Linderung, weil ihre Intention nicht egozentrisch ist, sondern zentrifugal, auf die anderen hinzielend. Ihre Verse legen unsere gemeinsamen Wurzeln von Traurigkeit, Leiden und Schmerzen frei und räumen dadurch der Hoffnung Platz ein. In einer reichen metaphorischen Sprache erheben ihre Gedichte gegen das Kurzfristige die Stimme. Gegen das Kurzfristige kämpfen auch die als Gebete angelegten Gedichte. Eine höhere, diskret nicht näher definierte Instanz pantheistischer Observanz wird zur Errettung des Menschen heraufbeschworen. Je mehr man in Ilse Brems Gedichten liest, desto deutlicher tritt der großangelegte Entwurf von der Sendung und der Mission der Poesie als Retterin des Menschen hervor, von der von ihm selbst errichteten Diktatur des Immer-mehr-Produzierens, des Leistungszwangs und des Konsums.

MAJA FRATERNA, UNIVERSITÄT SOFIA, APRIL 1994

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Die Lyrikerin Ilse Brem versucht ihre Leser wachzurütteln, nach I: schmerzvollsten Erfahrungen und Erkenntnissen zu einer Welt höherer Werte ins Transzendentale zu führen, das Numinose erahnen zu lassen. Aus der Tatsache, daß die Künstlerin Lyrik und Prosa schreibt, malt und zeichnet, gewinnt ihre Aussage eine höchstpersönliche dichterische Qualität, die sich in einer unaufhörlich strömenden Fülle von Bildern in leuchtender Farbigkeit, in symbolträchtigen Gleichnissen ausspricht, eine faszinierende Symbiose von Wort und Farbe, Licht und Schatten, Sinn und Schau. In Wehmut und Zorn, dankbar und zugleich enttäuscht blickt die gereifte Künstlerin als Warnerin zurück, inmitten einer Welt der Gleichgültigkeit, Eigensucht, des Materialismus, des technischen Know-how. Manchmal wird die Anklage schonungslos, beschwörend, einer alttestamentarischen Bußpredigt gleich, zu einem fordernden Aufruf zur Umkehr und Einkehr.

URSULA MAUCH, HUMBOLDTGESELLSCHAFT, MANNHEIM, FOLGE 10,

AUGUST 1996

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Ilse Brems Lyrik ist hauchzart und zugleich sehr widerstandsfähig, kräftig, stark, weil tief empfunden, gescheit und dazu sprachlich sehr einprägsam, schön in der Art, wie wir Schönheit ertragen können. Ich halte Ilse Brems Lyrik für einmalig und unverwechselbar und bin sehr beeindruckt von ihrer Trauer, zugleich von ihrer tiefen Welt- und Menschenkenntnis. Ihre Melancholie ist eine sehr reife Melancholie, die Reife der Erkenntnis. Ilse Brems Gedichte sind Zeugnisse eines allseitigen Erlebens, in einer Tiefe und Genauigkeit erlaßt, wie es heute immer seltener wird, Gedichte, die fern jeder Vernünftelei, fern hochgestochener Begrifflichkeit, auch weit entfernt vom modern sein wollenden Experiment in Inhalt und Form Aussagen treffen, die uns direkt, unmittelbar ergreifen.

ALEXANDER GIESE, ÖSTERREICHISCHER P.E.N.-CLUB, MAI 1992  

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2013 Unter einem Fremden Himmel

Gedichte und Grafiken von der Autorin    Verlag Berenkamp, Innsbruck – Wien

Leseprobe

Ein Haus aus Lichtpunkten

Hungrig und durstig, müde, frierend und erschöpft taumelte sie nach einem anstrengenden Einkaufstag durch einen langen Gang mit vielen Türen. In der Hoffnung, dass sie jemand einlassen, ihr einen Stuhl anbieten, eine Kleinigkeit zum Essen und ein Glas Wasser zum Trinken reichen würde, klopfte sie an mehrere Türen. Wenige öffneten ihr und diese warfen nur einen flüchtigen, argwöhnischen Blick durch einen schmalen Spalt auf sie, bevor sie ohne Kommentar die Tür wieder zuschlugen.

Als sie sich, am Ende des Ganges angekommen, kraftlos an die Wand lehnte, entdeckte sie am Anfang des Ganges eine weißgekleidete bleiche Gestalt, die langsam auf sie zukam. Da ihr klar geworden war, keinen Fluchtweg zu haben, auf dem sie ihr entkommen könnte, befiel sie im ersten Moment panische Angst, im zweiten fügte sie sich der Ausweglosigkeit und wartete ruhig und gelassen ihre Annäherung ab.

Als das Wesen nur mehr eine Handbreit von ihr entfernt war, merkte sie, dass es gestaltlos, nur für sie fühlbar war.

Es umarmte sie und im selben Augenblick verschwand die Wand hinter ihr genauso wie die Decke über ihr und die Wände mit den Türen. Schwebend befand sie sich mit dem Wesen, von dem eine ungemeine Sanftmut, Zärtlichkeit und Geborgenheit ausging, im leeren Raum und trieb mit ihm wie ein Blatt im Wind höher und höher.

Während sie mit diesem Wesen unterwegs war, hob sich körperlicher Schmerz und seelisches Leid über die Verlassenheit vor den verschlossenen Türen auf.

Gewichtlos wie das Wesen schwebte sie mit ihm über Berge, Täler, Wälder, Dörfer und Flüsse zu einem aus unzähligen Lichtpunkten bestehenden durchsichtigen Haus. Das Fliegen, das sich alle Menschen seit Urzeiten wünschen, gelang ihr im Traum. Mit leichten Schwimmbewegungen ruderte sie durch die Luft, und die Gelassenheit und Zufriedenheit mündeten in einer Glückseligkeit, die sich von Augenblick zu Augenblick steigerte, je näher sie dem Haus aus Lichtpunkten kam.

Als sie es beinahe erreicht hatte, war ihr, als käme sie irgendwohin, wo sie schon einmal gewesen war. Sie empfand alles rund um sich so angenehm wie nie zuvor auf Erden und wusste mit einer zweifelsfreien Sicherheit, dass dieser Zustand nie mehr aufhören würde. Sie war nicht gedankenlos, aber das Denken strengte sie weder an, noch empfand sie es als aussichtslos wie in früheren Zeiten.

Beim Haus angekommen wurde sie ein Lichtpunkt unter unzähligen Lichtpunkten, mit denen sie sich in vollkommener Harmonie und Glückseligkeit vereinte.

Ein Jännermorgen

Auf dem Fensterbrett
der Weihnachtsstern
kränkelt.

Rostig geworden
die Freundschaften
wie das Haustor.

Ein milchiger Jännermorgen
holt tief
Luft,

damit
Vergangenes
auferstehe

ohne
beschriftete Blätter
der Erfahrung

gelebt werde,
wie es nicht war
und hätte sein können.

2010 Licht am Horizont

Gedichte und Grafiken von der Autorin   Verlag Berenkamp, Innsbruck – Wien

Univ.-Prof. Dr. Etela Farkasova

ILSE BREM, eine österreichische Poetin, Prosaikerin und Darstel­lerin der bildenden Kunst, bleibt auch in ihrer neuesten Gedicht­sammlung ihrer Poesie treu, in der die lyrische Bildlichkeit mit der Federzeichnung verbunden wird, in der die Trivialität des alltägli­chen Lebens mit der Imagination, die Realität mit dem Traum eins wird.

Man muss Geduld haben mit dem eigenen Dasein, Geduld mit den eigenen Träumen und Hoffnungen, aber auch mit dem Schiffbruch, mit den Niederlagen und Verlusten.

So wie die Poetin das Leben begreift, kann es voll von vergeblichen Versuchen sein. Es kann einen aber auch die süßen Illusionen kos­ten lassen wie in dem Gedicht ILLUSIONEN, „deren Schale in den Müll geschmissen wird, / wenn man auf den bitteren Kern gebissen hat".

Das Leben kann die Erwartung sein, beschwert durch Erinnerungen und Enttäuschungen, auch die Quelle der Seifenblasen, die schein­bar schön, buntfarbig, aber in ihrer Substanz leer sind. Die Poetin thematisiert ebenso die Fülle des Lebens. Sie fragt, ob auch das nicht erfüllte Leben einen Wert für den Menschen bedeu­ten kann. Zum nicht erfüllten Leben gehören das Aufwecken aus Illusionen und Träumen und die menschliche Unzulänglichkeit wie in dem Gedicht DER VORWURF:

„Jemand wartet auf dich, / ist krank, ruft dich wortlos. Du glaubst, / es gäbe Wichtigeres für dich, / beraubst dich der Chance, / ein Mensch zu werden."

Das ist aber eine Erkenntnis, zu der man nur durch lange Jahre des Nachdenkens gelangen kann und die man immer wieder aufs Neue suchen soll.

Ilse Brem sucht in ihrer neuen Gedichtsammlung Antworten auf die Frage des Sinns der Zeit, die der Mensch zur Verfügung bekommen hat. Eine Form für sie ist das Dichten, die Schöpfung poetischer Tex­te, mit denen sie einen lebbaren Traum schaffen will. „Mit dem Wort will sie den leeren Raum füllen. / Mit dem Wort im Nichts etwas finden. / Mit dem Wort dich und mich verbinden." Das Schreiben ist für sie der Weg zum Suchen dessen, was nicht zu finden ist im alltäglichen Leben.

Wäre einer zu erreichen, / würde ich ihm entgegenlaufen. / Käme einer auf mich zu, / würde ich vor ihm/ zurückweichen."

Das Kennenlernen eines Landes, einer Stadt oder eines Menschen hinterlässt meist einen enttäuschenden Nachgeschmack und die Vorahnung der Erkenntnis, dass ein Traum „nach etwas anderem" nie einen absoluten Höhepunkt, nie seine Vollendung erreichen wird.

„Die Wolken ein weißes Erinnern an jeden bereisten Ort. / Im Wind Nachklang verschiedener Sprachen. / Was habe ich zurückgelassen in Washington, Moskau, Kairo, da und dort? / Was habe ich mit­genommen? / Dass die Sehnsucht überall an verschlossene Türen klopft."

Zuletzt findet ihr Suchen Trost in der ästhetischen Verzauberung einer Naturszenerie, im Gespräch mit Gott oder in der Meditation. Die geistigen Erlebnisse geben ihr das Gefühl des Verschmelzens mit anderen Existenzbereichen, worin sie dann den Sinn des eige­nen Daseins erkennt.

Ilse Brem verteidigt das Recht der Poesie, sich in den Bereich der Fantasie zurückziehen zu dürfen. Diese Meinung bedeutet für sie nicht die Abkehr von der realen Welt. Erst der Schleier der Fantasie lässt sie in unerbittlicher Klarheit die strengen Formen der Realität erkennen, und gerade die Fantasie kann uns die Kraft für das reale Leben verleihen.

Die Gedichte weisen übermäßige Sensitivität auf und besitzen die Fähigkeit, den Horizont des allgemein Wahrnehmbaren zu über­schreiten, sozusagen hinter die Dinge zu schauen. Die Autorin arbeitet mit der Zeit in zwei gegenseitige Richtungen, in die der Zukunft und in die der Vergangenheit. Mit Hilfe der Poe­sie nähert sie sich der eigenen Kindheit und Orten, wo sie die erste Bezauberung durch die Welt erlebt hat. Die Kindheit wird für sie zu einem Zeitraum, wo sie ganz nah an der Wurzel des Menschenge­heimnisses war, dem Wunder und dem Glauben des Lebens - was man aber niemals wiederholen kann und was vom Leben nach und nach verschwindet.

Für die Autorin wird, ähnlich wie die Kindheit und die Poesie, die Natur zur Quelle neuer Kraft. Nicht wenige ihrer Gedichte sind der Natur gewidmet. Es sind zarte, empfindsame Bekenntnisse und Eingeständnisse davon, was ihr ein blühender Baum, ein Lispeln von Gras, Gesänge der Vögel, Wasserrauschen bedeuten können. „Wirst zwischen den / lieblosen Mauern der Stadt / lange trauern um den Verlust / der zärtlichen Gräser", heißt es in dem Gedicht ABSCHIED.

Die Beobachtung des Naturkreislaufs wird für sie die Quelle des Trostes, ein Anlass zur Versöhnung mit dem Leben und der Welt, aber auch zum Verständnis der Unvermeidbarkeit seines Endes. Das thematische Spektrum der neuesten Gedichtsammlung von Ilse Brem ist breit angelegt. Sie hat auch Fragen zur Weltordnung, kriti­siert den Zeitgeist, zeigt den Widerspruch auf zwischen Vorstellung und Realität, ob es nun um religiöse oder sozialpolitische Ideen geht. Der Realzustand der gegenwärtigen Welt ist für sie nicht zu­friedenstellend und darum versinkt sie in Gedanken über die Mög­lichkeit, sie zu ändern. Doch ihre Antwort darauf ist skeptisch. Sie ist von ihren bisherigen Erfahrungen gezeichnet.

„Zurückgedunkelte Gedanken / treffen auf schwarz signierte Ge­schichte / Wer der Massenhypnose nicht verfiel, / ertrug mit Seh­schwäche und Schwerhörigkeit / die gespenstische Ordnung."

Ilse Brem reagiert mit ihren neuen Gedichten hochsensibel auf die Absurdität der realen Welt, auf das Geschehen in der Welt, das oft rational nicht erklärbar ist. Aber auch in dieser zerstörenden und verstörenden Welt sucht sie im Riss in der Welt die Hoffnung in der Begegnung mit der Schönheit in der Natur und in der Kunst. So möchte ich die Botschaft ihrer Gedichte und ihrer Zeichnungen als eine Botschaft begreifen, die unserer Aufmerksamkeit besonders wert ist.

 Leseprobe

Grosse Frage

Gefällt
wurde der Baum
ihrer Kindheit.

Als ihn Großvater pflanzte,
hatte sie mit ihm
in den Himmel
wachsen wollen.

Sangen die Vögelin seinen Zweigen,
übte sie für ihr
großes Konzert,
das nie stattgefunden hat.

Sie wartet,
weiß nicht mehr,
worauf.

2007 Nur ein kurzer Flügelschlag    

Gedichte und Grafiken von der Autorin   Verlag Berenkamp, Innsbruck – Wien  

 

Univ. Prof. Dr. Joseph P. Strelka 
State University of New York at Albany

Die reimlosen Gedichte in freien Rhythmen sind zu­meist Momentaufnahmen - und damit gleichsam „Nur ein kurzer Flügelschlag" - von Stimmungen, Einsichten, Erfahrungen eines sehr einfühlsamen, warmherzigen, sensiblen Menschen, der unter der Kälte der Welt mehr leidet als viele andere. Daher schließt das Gedicht „Alltäglicher Bericht" mit den Versen:

Wem kalt ist ,dem erklärt man,
dass Frieren zum Leben gehört.

Eng verbunden den Klagen sind die Verse der Trau­er, obwohl die Autorin den Vorsatz gefasst hat, die­se „unauffällig werden zu lassen", und obwohl sie darauf wartet, dass „Ein Lächeln über ihre Trauer herfällt". Aber die Trauer bricht doch immer wieder durch, etwa über „Dickhäuter und Falschmünzer", über die eigene „Unnatur, welche die Liebe aufhebt für nach dem Tode". Die toten Ge­genstände ihrer Umgebung berühren sie „mit ewi­gem Frieden", in den eigenen vier Wänden entdeckt sie Laotses Stille, am Grab der Mutter hat sie die Vi­sion, Arm in Arm mit dieser durch die Geborgenheit der Kindheit zu gehen, die Natur der Landschaft ih­rer Wachauer Heimat mit ihren heiteren Weinber­gen findet sie „verlässlich", und reifend im Verzicht wächst in ihr „Gottes Licht".

Der Leser, der sich mit diesen Versen zu identifizie­ren vermag, kann sein Leid vielleicht mit dem ih­ren teilen und sollte vermögen, den Trost so man­cher Gedichte nachzuempfinden, und beides kann sehr viel mehr und besser helfen als „experimentel­le" Abstraktion. Sodass diese Verse ihre gerechtfer­tigte und positive, ja wohltuende Funktion haben, auch wenn sie nur einzelne Stimmungsmomente beschwören, knapp und schlagartig wie ein einziger „kurzer Flügelschlag", die sie dichterisch ins Zeitlo­se heben.

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Lagebesprechung

 Nicht  nur die Heckenrosen
haben uns verletzt,
nicht nur der Regen
und das Schneegestöber
sind uns eiskalt begegnet,
nicht nur der Sturm
hat unsere Haare zerrüttet,
nicht nur die betonierte Wiese
hat unser Auge beleidigt.

Dass sich unser Verdacht
gegen Dickhäuter und Falschmünzer
als berechtigt erwies,
hat nichts erleichtert.
Jetzt sind wir gewarnt,
auch vor harmlosen Gartenzwergen,
nehmen Abstand
von der rosaroten Brille
und uns den Igel zum Vorschein.

Alltäglicher Bericht

Die Kinder haben selber Kinder,
ihre eigenen Verletzungen
und Vorstellungen vom Leben.

 Den Eltern und Großeltern geht es gut,
ruhen sorgenfrei unterm Moos
auf grauem Stein.

 Unsere Freunde und Feinde
stehen mit uns
auf der Abschussrampe.

Wem kalt ist,
dem erklärt man,
dass Frieren zum Leben gehört.

2005 Wortbrücken          

Gedichte, Erzählungen und Grafiken (slowakische Übersetzungen)   Verlag VAbENE, Klosterneuburg     ISBN 3-85167-176-7

Univ. Prof Dr Etela Farkasova   
Komensky Universität, Bratislava

Ilse Brem wendet sich mit ihrem literarischen Programm dagegen, dass die ästhetische Dimension der Literatur von gesellschaftlichanalytischen und politischen Momenten verschlungen wird, dass das Mystische und Übersinnliche aus der Literatur verschwindet bzw. zum profanen Klischee wird. Nicht zufällig bemüht sie sich in ihrem Werk vor allem um eine Annäherung der verschiedensten Formen von Spiritualität, um die Erstellung von geistigkeitsgesättigten Lebensräumen, wobei sie sich nicht nur auf die dem europäischen Kulturkontext zugehörige Geistigkeit beschränkt. Obgleich die Autorin selbst fest in die christliche Tradition eingebunden ist, spüren wir in ihren Texten einen Hauch von Gegenwart anderer Kulturen oder zumindest Spuren deren Einflusses (so z. B. des buddhistischen) auf das europäische Denken. Im Werk von Ilse Brem spiegelt sich der Gedanke des französischen Philosophen Saint Simon wider, der da lautet: „Wenn die Gesellschaft kein Herz mehr hat, haben die Poeten keine Stimme mehr".

2005 Dni policzone  

Gedichte, Erzählungen und Grafiken (polnische Übersetzungen)   Verlag Biblioteka Telgte, Poznan – Polen  ISBN 83-919240-5-X

2003 Gitter       

Gedichte, Parabeln und Grafiken von der Autorin   Verlag VAbENE, Klosterneuburg              ISBN 3-85167-126-0

Univ. Prof Dr Etela Farkasova    
Komensky Universität, Bratislava

 Ein dominierendes Thema stellt in „Gitter" das Thema des Scheidens dar, des Abschieds, des Abbrechens von Kontakten und emotionalen Bindungen mit Nahestehenden, die definitiv aus dem Leben gegangen sind. Die Hinwendung zu diesem Thema hat der Tod der Mutter bewirkt, der ausdrücklich mehrere Gedichte gewidmet sind. In symbolischer Form vorweggenommen und vergegenwärtigt wird das Thema durch den Titel des Buches, als habe der Weggang der Mutter Gitter heruntergelassen und die Außenwelt von der Autorin abgeschnitten. Ein Schatten von Trauer, Nostalgie und Resignation scheint den Grundton dieser Texte auszumachen, in denen sich die Reflexion über die Zeit, ihr Verfließen, über die Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Ewigkeit und Vergänglichkeit wiederholt. Mit dem Thema der zeitlichen Begrenztheit des Menschen hängt zusammen, dass die Autorin einige ihrer Gedichte in die Umgebung eines Krankenhauses, eines Altersheims oder Friedhofs verlegt, an Orte, die in ihr nicht nur Erinnerungen an ihre eigenen verstorbenen Vorfahren wachrufen, sondern auch allgemeine Vorstellungen von Verkettungen und Fesseln zwischen den Generationen evozieren. Das Leben, wie es die Dichterin versteht, kann voller vergeblicher Versuche, durchwebt von Illusionen sein, kann das „Warten auf einen Garten, der nicht existiert" sein.  Der Zustand der heutigen Welt ist für sie ein unbefriedigender, weshalb sie über mögliche Verbesserungen nachdenkt, über die Möglichkeit, eine neue Welt zu schaffen, wobei ihre Antwort durchaus skeptisch ausfällt geprägt von den bisherigen Erfahrungen der Menschheit. Dennoch sucht sie voller Hoffnung einen „Therapeuten für diese Welt" und ruft zur Bewahrung der Menschlichkeit in der Welt auf. Ilse Brem reagiert mit ihrem Werk sensibel auf die Absurdität dieser Welt, auf das Geschehen in ihr, für das es nur zu oft keine rationale Erklärung gibt.

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Hilferuf

 Jeder will jeden überholen
und das nicht nur
auf der Autobahn.
Jeder versucht jeden
zu überflügeln
bis zum gemeinsamen Absturz.
Wo ist der Therapeut
Für diese Welt?

Manchmal

Keiner stellt sich
unter Ewigkeit etwas vor.
Immer stehen wir
vor einem verschlossenen Tor.
Nur manchmal
fällt ein heller Strahl
durchs Schlüsselloch
und erhellt
die unbegreifliche Welt.  

2001 Strömungen    

Slowakisch-Österreichische-Prosaanthologie  (Herausgeberin und Autorin)    Österreichisches Literaturforum Krems                 
 ISBN 3-900860-08-4

Univ. Prof Dr Etela Farkasova    

Bei der Suche nach einem prägnanten Titel für diese slowakisch-österreichische Auswahl von Erzählungen griff ich nach der Flußmetapher nicht nur, weil durch unsere Gebiete ein  gemein­samer Fluß fließt, der die Landesgebiete teilt, aber auch verbindet, und nicht nur, weil sich dieser Fluß in die Benennung des geographischen Raumes, zu dem beide Länder gehören, eingetragen hat und auch in unsere Geschichte eingegangen ist.

Strömung als Ideen- und Erfahrungsaustausch, als Austausch von Lebensgefiihlen, Erwartungen und Sehnsüchten, als gegenseitige Übergabe von Erkenntnissen und Anregungen, Energien und Botschaften. Ohne eine solche Strömung, ohne Kontakte und gegenseitiges Zusammenwirken mit anderen Kulturen kann sich keine Kultur gesund entfalten. Diese Strömung war auch das Ziel, das wir uns beim Konzipieren dieser bescheidenen Auswahl gesetzt haben.

Voraussetzung für Strömung ist, daß es keine Barrieren gibt.

Nach Beseitigung politischer Barrieren zwischen unseren Ländern bleiben immer noch Barrieren anderer Art, beispielsweise sprachlicher oder mentaler Natur. Dieses zweisprachige Projekt, das Texte dreier österreichischer und dreier slowakischer Autorinnen Lesern in beiden Donauländern näherbringt, ist auf die zumindest teilweise Überwindung der genannten Barrieren ausgerichtet. Auch angesichts seines Umfangs kann es nicht als repräsentativ gelten, obwohl es zumindest ein bescheidenes Mosaik von Ansichten gegenwärtiger Formen literarischer Aktivität zum Vorschein bringt.

 2001 Spuren der Stille      

Gedichte und Grafiken von der Autorin     (russische Übersetzungen) Nijschni Novgorod - Russland 

2001 Fragezeichen  

Erzählungen und Parabeln    Edition Doppelpunkt,Wien       ISBN 3-85273-122-4

Univ. Prof Dr Etela Farkasova    
Komensky Universität, Bratislava

 Mit ihren Texten vermittelt die Autorin den Glauben an die Transzendenzfähigkeit mittels des Schaffensprozesses und die Tragik sowie Trauer wiegt sie, um das Leben ertragen zu können, mit Hoffnung auf.  Wir erfühlen hier das Ineinanderfließen und gegenseitige Abwägen der Zerbrechlichkeit mit unübersehbarer Stärke, die vor allem in der positiven Haltung  gegenüber dem Leben liegt, im Glauben, dass diese Haltung ihre Erfüllung durch menschliche Tätigkeit erfährt - bezogen auch auf die Dichtung und in weiterem Sinne auf die künstlerische und kreative Tätigkeit. Man kann nur mit jenem Rezensenten übereinstimmen, der die Meinung äußerte: die Lyrik der Ilse Brem ist keine spielerische, sie ist eine Lyrik, die dem Leser eine Botschaft vermittelt, was bezüglich der Prosatexte nur bestätigt werden kann. 

Ilse Brems Poetik lässt sich in mancherlei Hinsicht als paradox charakterisieren.  Ihre Themen sind alltägliche Begebenheiten. Gleichzeitig jedoch ist in ihnen die Sehnsucht allgegenwärtig, über diese Alltäglichkeiten hinauszugelangen, sie zu transzendieren. Die Texte sind zwar in der Gegenwart angelegt, doch ist ihre Botschaft in vielen Aspekten überzeitlich.

Die Ebene der sachlichen Beschreibung wechselt mit der meditativen Ebene.  Die Erzählungen sind reich an Beschreibungen, sind detailliert und minutiös ausgearbeitet und  am stärksten auf das innere Erleben, die Selbstreflexion ausgerichtet.  Sie atmen eine rätselhafte Atmosphäre, eine Atmosphäre des Geheimnisvollen, bisweilen sogar Metaphysischen. Ihre Protagonisten sind überaus sensible Menschen und mit der Gabe betraut, den Horizont des allgemein Wahrnehmbaren zu überschreiten, „hinter die Dinge" zu schauen. Die Autorin weicht aber auch Identitätsproblemen nicht aus, wobei sie diejenigen der Frau bevorzugt. Auch hier greift sie nach Symbolik und allegorischen Bildern, um so auf die verschiedenen Formen der Manipulation von Frauen hinzuweisen. Einige Erzählungen stellen eine Kritik der gesellschaftlichen Verhältnisse dar (die Traditionen inbegriffen), die den Frauen die Entwicklung ihrer Intellektualität bzw. ihrer künstlerischen Neigungen erschweren.

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 Aus „Das Fragen“

 Anfangs hatte ich nur mich bedauert. Mit der Zeit bedauerte ich auch die anderen, denn gefangen waren alle in Verirrungen und Verwirrungen, Einbildungen und Täuschungen wie die Fliegen in den Spinnennetzen, beharrlich verdrängend und verleugnend, dass die Spinne  siegen wird, gleichgültig, wieviel sie kämpfen und strampeln, welche Aufgabe sie sich gewählt haben. Doch kaum bei einer Unsicherheit ertappt, stellten sie  im Brustton der Besserwisserei  fest, dass man sich mit Zahlen, mit Kaufen und Verkaufen, Aktien, Wertpapieren und Münzen beschäftigen kann und dies sehr vernünftige, wenn nicht die vernünftigsten Aufgaben  wären. Die Fragen hatten sich aber auf mich eingelassen und ich mich auf die Fragen. Wenn Regierungen und Denkmäler stürzten, Bauwerke zerbröckelten, Weideland verkarstete, Kontinente sich verschoben, Meere vertrockneten, Quellen versiegten, Bücher vergilbten, das Fleisch sich von  der verderblichsten Seite zeigte, wenn nichts bestand, meine Fragen bestanden. Wir trafen uns in Kirchen, Wohnungen, Gaststuben, auf Wiesen, in Wäldern, auf Straßen und Wegen, sie mit ihren Aufgaben, ich mit meinen Fragen.  Ich fragte an Wochen- und Sterbebetten, bei Politikern und Priestern, in Bordellen und Irrenhäusern, in Banken und Büros, auf Fischkuttern und Kreuzfahrtschiffen, bei Ärzten und Mönchen. Die Aufzählung aller mir vorgeführten Beispiele, vom Fußballspieler bis zum Staatspräsidenten, der Putzfrau bis zur Schauspielerin, würde den Rahmen meines Berichtes sprengen und zur Langeweile führen.

Da mir keine Aufgabe in der Lage schien, mich von meinen Fragen zu befreien, sondern jede immer neue  erzeugte, gab ich es schließlich und endlich auf, meine Fragen mit einer Aufgabe beseitigen zu wollen und ich entschloss mich, das Infragestellen anzunehmen und darüber hinaus es zu meiner Aufgabe zu erklären.  

2000 Tvarou v Tvar 

Gedichte (slowakische Übersetzungen)          Bratislava          ISBN 80-7140-097-1

1999 Bruchstücke   

Gedichte und Grafiken von der Autorin    Österreichisches Literaturforum, Krems            ISBN 3-900959-96-X

 Univ Prof Joseph P. Strelka
State University of New York at Albany

Ilse Brems Gedichte haben etwas zu sagen, Sie sind nicht Lyrik als Spiel, sondern Lyrik als Botschaft. Das Endliche erscheint schon durch den Sprachzauber transzendiert, öffnet sich dem Unendlichen: das Wissen um Leid und Trauer, falsche Hoffnungen und echten Trost, um illusionsfreie Wahrheit und um das individuelle Streben nach menschlicher Anständigkeit eröffnet sich in Klang, Rhythmus und Ton und in der Ausdrucksweise des Indirekten im Lyrischen. Die Klarheit und Sicherheit des Gefühls, der Röntgenblick, der durch alle Heuchelei und Illusion dringt, die ruhige Bestimmtheit der Urteile: das alles sind zweifellos Ergebnisse nicht nur ungewöhnlicher Sensibilität und eines hoch entwickelten Einfühlungsvermögens in andere, sondern auch bewältigter harter persönlicher Schicksale, so daß die Maximen ihrer Gedichte Bewältigungshilfen sind für die Enttäuschten, Beleidigten, Erniedrigten. Durch die erreichte Reife und Stärke, durch den Mut und die Liebesfähigkeit der Autorin haben sie etwas sehr Tröstliches an sich. Ilse Brems Gedichte gehören zum wenigen Bedeutenden der österreichischen Literatur unserer Zeit.

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Wörter

Gedroschene Wörter.
Überdrüssig
der abgedroschenen Wörter.  

Überflüssig
die leeren Phrasen.
Gelernt,
dass keine hält,
was sie verspricht.

Wachse im Schweigen
nach innen.

Dein Schweigen

In einer Sommerwiese ruhend,
liegst du gewichtlos
in meinem Arm.

In der Erde,
die mich stützt,
wurzelt dein Name.
Deine Gedanken aber sind der Wind.

Handlos streicht er
über mein Haar, meine Haut.
Laut schreit ein Transistorgerät
deine schweigende Stimme nieder.

1997 Verschwiegene Landschaften          

Erzählungen und Grafiken von der Autorin      Österreichisches Literaturforum, Krems       ISBN 3-90095980-3

 Univ. Doz. Dr. Ingeborg Stahl
Komensky Universität, Bratislava

Die Sprachkünstlerin ILSE BREM stellt sich als Prosaikerin vor. Die vorliegenden Erzählungen stehen ihrer abgerundeten, über das Chaos der "Umwelt und Innenwelt" nach Ordnung und Harmonie strebenden Lyrik in nichts nach. Die mitunter surrealistisch anmutenden Kurzgeschichten, in denen etliches jenseits des Greifbaren liegt, erwachsen aus einem tiefen, oft schmerzlichen Erleben der gegebenen Wirklichkeit, der die menschliche Existenz manches Mal hilflos ausgeliefert scheint - das Grundmotiv, das variierend in den meisten Erzählungen anklingt. Aufgedeckt wird auch die Abgründigkeit der menschlichen Seele mit allen Höhen und Tiefen, deren Turbulenzen uns in einer Realität festhalten, die zur Gewohnheit geworden ist und uns somit andere mögliche Wirklichkeiten verschleiert. Also eine Lektüre, die suchenden, sich auf Irrwegen befindlichen Seelen zum Wegweiser werden kann.

 

Nachwort

Univ. Prof. Dr. Mag. Karlheinz Auckenthaler
Universität Szeged

 Es mag verwunderlich erscheinen, auf das Vorwort der slowakischen Germanistin Ingeborg Stahlova das Nachwort eines in Ungarn lebenden Germanisten zu lesen. Dies zeigt nur, wie gerne verschiedene Kollegen bereit sind, sich zum Werk Ilse Brems zu äußern, einerseits weil sie sie als Dichterin und andererseits weil sie sie als Menschen sehr schätzen. Die Übersetzungen von Brems Lyrik ins Englische, Slowenische, Slowakische, Bulgarische, Ungarische, Russische und Spanische weisen ebenfalls auf deren internationale Anerkennung hin. Ilse Brem ist eine österreichische Dichterin mit dem typisch österreichischen Schicksal, wie es in der österreichischen Literaturgeschichte viele Beispiele gibt, nämlich in ihrer Heimat zu Lebzeiten verkannt zu werden. Diese von in- und ausländischen Germanisten mir gegenüber geäußerte Meinung machte mich ja auf Brems Schaffen aufmerksam und gab mir den Anstoß, mich mit ihrer Lyrik und Prosa zu beschäftigen.

Nach "Das Gesicht im Gesicht" (Erzählungen und Gedichte, l985), tritt Ilse Brem zum ersten Male mit einem ganzen Band Prosa an die Öffentlichkeit. So wie ich mit Bezug auf Ihr Können als Lyrikerin nicht einfach die Qualifikation "brillant" verwenden mag, so auch nicht für die Prosaikerin. Ihr Schreiben ist Sinn-Suchen. Sie schreibt, um existieren zu können. Sie geht von Empfindungen aus und hebt sie auf eine höhere Stufe. Ihre Texte, so formulierte Brem l988 in ihrem Vorwort zum Band "Funksprüche" sind "ein Widerstand gegen alles Flache, Genormte, Politische und Uniformierte". Ihre tiefe Verbundenheit mit dem Numinosen ermöglicht ihr in einer taub und blind gewordenen Welt, die Sehnsucht nach einer seelischen Heimat des Menschen darzustellen und dem Menschen noch Höhen und Tiefen einer anderen Wirklichkeit aufzuzeigen.

Der Sprache, in die man hineingeboren ist, entgeht man nicht. So auch Ilse Brem. Die Sprache ist verführbar zu Spielen, in denen das alte Wahre angefaßt und im Schaffen der oft eigenwilligen Dichterin zu Neuheit kommt. So wird jedes ihrer Prosastücke zum persönlichen Erlebnis.

Exemplarisch steht dafür die Erzählung "Der Absturz". Als vor einigen Jahren eine Maschine der Lauda Air in der Nähe von Bangkok abgestürzt und ungefähr zur selben Zeit der Sohn der Dichterin von Australien nach Hause geflogen war, stellte sich Brem vor, ihr Sohn wäre in der abgestürzten Maschine gewesen. So entstand die Erzählung von Clara und ihrer Mutter, die nach dem Tod der Tochter mehrfach abstürzte, sich der Leere ausgeliefert fühlte. Claras Mutter mußte sich von ihrer Tochter lösen und einen neuen Lebenssinn suchen, um weiterexistieren zu können. Sie kommt zur Antwort: "Was nach Trennung aussieht, ist keine, denn die Wirklichkeit ist der Schein und der Schein die Wirklichkeit".

Die Botschaft dieser Erzählung setzt Brem schon im Motto, einem Zitat von Nelly Sachs, an den Beginn:

"Und ihr werdet hören,
Durch den Schlaf hindurch
Werdet ihr hören,
Wie im Tode
Das Leben beginnt".

Diese und alle übrigen Erzählungen vermitteln dem Leser tiefe, oft durch schwere Krisen erworbene Erkenntnisse und fordern ihn auf, sich mit dem Leben eingehender auseinanderzusetzen.

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Aus  „Unzensurierte Nachrichten“

 Wird einer von ihnen weggenommen, verdoppeln sie die Bemühungen um silberne Frühstückslöffel und goldenes Nachtgeschirr. Dass die Summe ihrer Additionen und Multiplikationen unterm Strich immer eine Null ergibt, kehren sie unter den Teppich, genauso wie ihre Fallsucht und Fluchtneigung Das Alphabet haben die meisten gelernt, aber zu lesen verstehen die wenigsten. Bevor sie zugeben, dass auch auf der Hohen Warte die gute Aussicht keine Weitsicht ist spielen sie lieber Blinde Kuh und legen, trotz ununterbrochener gegenteiliger Beweisführungen, die Glasscherben und Kartenhäuser für übermorgen zusammen. Wem die Augen für morgen offen stehen, dem sei am helllichten Tag Gute Nacht gesagt. Er findet, nach Fortgegangenem suchend, nur mehr Messingmörser, ein Strumpfband, ein Spitzentaschentuch, Serviettenringe, einen Kerzenhalter, einen Bilderrahmen, vergilbte Photographien, eine Smokingschleife, eine Zahnspange. Am besten haben es die Strohköpfe und die blinden Hühner. Sie loben den Tag vor dem Abend und finden goldene Körner, aber letzten Endes fallen auch die Diamantsplitter durch den Rost, und der fein gesponnene Faden, der, dem Sprichwort zum Trotz , an der hellsten Mittagssonne vorbeikam, geht nicht durchs Nadelöhr. Dann steht es nicht dafür, sich ein Herz genommen zu haben, weder für das Tafelgeschirr noch für das Kunststopfen und den Kreuzstich. Doch die Betreiber der Einkaufsketten bestreiten dies, auch, dass es außer ihrem Zählwerk noch ein anderes gäbe.

1995 Licht der Schatten   

Gedichte     Verlag Der Apfel, Wien                                           ISBN 3-85450-150-1

 Univ. Prof. Dr. Mag.Karlheinz F. Auckenthaler
Universität Szeged, Ungarn

Die oft geäußerte Behauptung, dass der Mensch unse­rer heutigen materialistischen Welt an Dichtkunst, vor allem an Lyrik, keinen Gefallen mehr finden würde, trifft nicht zu. Dies zeigten mir immer wieder von mir besuchte und veranstaltete Lesungen, bei denen ich spürte, wie sich der Besucher von dem Gehörten in den Bann gezogen fühlte. Diese Welt scheint mir viel­mehr an Dichtern arm geworden zu sein, obwohl sich zu keiner Zeit so viele Menschen schriftstellerisch betätigt haben. Viele so genannte Lyriker formen zwar Sprachgebilde aus dem Fundus vorhandener Wörter, vermögen aber nicht die Stumpfheit der Materie zu überwinden.

Die Lyrikerin Ilse Brem gehört nicht zu diesen und zum Glück auch nicht der so übertrieben gepriesenen expe­rimentellen Lyrik an. Sie nennt Paul Celan und Inge­borg Bachmann als ihre großen Vorbilder und hält, wie es Schleiermacher sagt, klar auseinander: jene Spra­che, die zur mathematischen Formel tendiert, und die dichterische, die zum Bilde hinneigt. Lyrik ermöglicht ihr, in der Bildersprache das Unnennbare zu erfassen, sagbar zu machen und so den Leser ins Metaphysi­sche, ins Transzendentale zu führen. In ihrer Dich­tung, wo Licht sich vom Schatten scheidet, ereignet sich längst in Gleichnissen die verheißene Seligkeit. Ihre Berufung zur Dichterin liegt darin, dem Men­schen Erkenntnis, das Wissen ums Numinose zu ver­mitteln.

Der vorliegende Band „Licht der Schatten" macht dies sehr deutlich; er weist sich im Unterschied zu vielem anderen (Geschriebenen) kraft dessen aus, was er zu vermitteln vermag.

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Herbstliches

Der Wind
wetzt  am Löwenzahn
sein Messer
und schneidet
im Gesicht.

In einem Kranz
aus Sonneblumen
nageln wir den
den verwelkten Sommer
an die Wand.

Die kahl geschorenen Felder
lehren uns,
uns auf nichts
zu versteifen.

Die Unbelehrbaren

Sie ließen es sich nicht nehmen
und spannten
die Sonnenschirme auf,
als es hagelte.

Erst als die Eisgeschosse
sie durchlöcherten,
schlugen sie wehklagend
die Hände über dem Kopf zusammen.

1993 Engel aus Stein       

Gedichte und Grafiken von der Autorin    (bulgarische Übersetzungen) Sofia     ISBN 54-8407-02-7

1991 Spuren der Stille                      

Gedichte       Edition Atelier, Wien        ISBN 3-9003-7966-1

Das exemplarische, betroffene Erfühlen braucht und gebiert das Zeugnis. Das klein und unbegreif­bar Erscheinende erschließt sich der unermüdlichen Spurensucherin in Zeichen und Bildern, die leidvoll erworben sind. So werden diese Gedichte zu runden Steinen des Begreifens, aber auch zu Ecksteinen des Erkennens einer zerklüfteten, zerworfenen Welt, die nach der mühevollen Erlösung des Zusammenfügens schreit.

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Berg der Steine

 Ich grabe ihn um
und aus mir heraus,
den Berg der Steine.
Dann lösche ich die Namen,
Daten und Jahreszahlen
auf den Steinen.

Im Fluss wasche ich sie rein
von allen Tätowierungen
des Lebens.

Nach dem Trocknen
in der Sonne
haben sie ihre Unschuld
zurück gewonnen
und versöhnen mich mit der Welt.

Warum

Tot oder lebend sind deine Lieben
der Zeit zum Opfer gefallen.

Stumm redest du dich
Abwesendem zu,
bewegungslos wirfst du dich
Fernstem in die Arme.
Zwei Schritten vor
folgen drei zurück.

Hingestellt wie das Wasserglas
auf den Tisch,
wartest du geduldig,
bis du weggetragen wirst,
weißt nicht, warum du
zuversichtlich bist.

1990 Grenzschritte  

Gedichte und Grafiken von der Autorin     Edition Roetzer, Eisenstadt     ISBN      3-85374-196-7

 Prof. Dr. Paul Wimmer
Schriftsteller und Literarhistoriker

ILSE BREM schreibt, um existieren zu können. Einer natürlichen Ästhetik folgend, verbindet sie traditionelle Sprach- und Sprechmuster mit den Ergebnissen neuer Poesie, wie sie von Paul Celan, Ernst Schönwiese, Ingeborg Bachmann, Karl Krolow und Rose Ausländer gebildet worden sind.

Sie ist eine poetische Malerin, die von der Empfindung ausgeht und auf den Stufen der Seele hinansteigt und sich im Sinne Herders immer lebender hinauf schwingt in den großen Chor, der in den Lüften schwebt und heiligende Gedanken aufruft

Sie spürt die Dämonie einer taub und blind gewordenen Welt, lebt in beständiger Auflehnung gegen eine Zeit, die, um ein Wort von Gottfried Benn einzubringen, "in Maschinen denkt", in Opposition gegen eine Scheinordnung, die das Unwesentliche zum Wahren erklären möchte, im Widerspruch gegen das bloß Faktische, das sich ein Recht anmaßt, das innere Leben zu bestimmen.

Sowohl die politischen wie die rein lyrischen Gedichte Ilse Brems weisen auf die Sehnsucht nach einer seelischen Heimat des Menschen hin.  Von hier aus ist es nur mehr ein einziger Schritt bis zu jener Erkenntnis, die den Menschen mit der höheren, der Geistes- und Geisterwelt, für immer verknüpft.

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Die Versöhnung

Auf den Wellen
reiten Sonnenstrahlen,
gleiten tief
in die Wogen ein.
Dir, hineingezogen
in der Tiefe Schauen,
schenkt sich
neues Urvertrauen.

Es ist das Stumme,
das sich dir entgegenneigt,
mit Glanz und bewegender
Gebärde spricht.

Eingeflochten
in den Reigen
längst Gewesener,
nie Gehörtes erklingt,
nur gedachte, gefühlte Bilder
in der Ferne steigen.

Versöhnung kommt Fluss über,
weitet deinen Innenraum
und alles, einst Trennende,
verrauscht.

Nichts ist dein Begehren,
Verlangen mehr,
nur über das Wasser, wolkenwärts,
drängt dein Herz. 

Vielleicht haben
beim Jüngsten Gericht
auch die Scherben Gewicht.

1988 Funksprüche  

Gedichte und Grafiken von der Autorin       Edition Roetzer, Eisenstadt     ISBN      3-85374-179-7

Ich über mich

Ich will mich nicht nur vom menschlich Machbaren beherrschen lassen und in den Wunderwerken der Technik die Zukunft sehen, sondern in der Anerkennung eines göttlichen Elements.

Wie nie zuvor wächst die Bedrohung der Welt. Mit Wissenschaft allein, glaube ich, ist sie nicht zu retten! "Die geistige Spitze", schrieb Reinhold SCHNEIDER, "die Forschung, ist auf das Ende gestoßen, auf die Macht, und läuft ihr nach wie die Macht der Forschung; wir kreisen im Todeszirkel; wir wissen nicht, was Spitze und Ende ist".

"Alles ist göttliche Erde, göttliche Luft, göttliches Wasser", heißt es bei P. Jean Pierre CAUSSADE. Mit der Bejahung eines spirituellen Raumes wächst die Ehrfurcht vor der Schöpfung und die Verantwortung für sie. In der Ahnung von etwas Unendlichem entspringen der breite Strom und der schmale Bach derselben Quelle, werden beide eins im großen Meer, gibt es keinen Unterschied zwischen rechts und links, hier und dort, oben und unten, reiht sich Kleines und Geringfügiges neben Großes und Erhabenes, fließt alles ineinander und bildet ein einheitlich Ganzes, in dem nur die Liebe zählt, deren einzige Aufgabe es ist, zu bewahren, was in einem, um einen und über einem ist.

Sich im Leid über alle geographischen, rassischen und ideologischen Grenzen hinweg mitfühlend zu begegnen, wäre eine Chance zur Menschwerdung.

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Ein Frauenleben

 Bin eine Harfe gewesen,
tönte in zitternder Erwartung,
zerbrach am Spiel
unbegabter Hände.

Bin eine Mohnblume gewesen,
blühte schön und üppig,
trieb eine Frucht
für den Knochenmann.

Das Geheimnis

War früh schon
im Herzen verwaist
und schwer von fragen.

Lauschte ich auf Antwort,
begegnete ich einer Sphinx.
Bin einsam und ohne Mitteilung
geblieben.

Unergründlich rauschte der Wald.
In stolzer Gebärde trug
der Himmel sein Geheimnis.

Hob ich gebannt den Blick,
fühlte ich die Kraft,
der Ohnmacht zu entsteigen.

1987 Die Antwort ist Schweigen       

Gedichte und Grafiken von der Autorin   Edition Roetzer, Eisenstadt        ISBN 3-85374-167-3

Prof. Dr. Paul Wimmer
Schriftsteller und Literarhistoriker

ILSE BREMS Gedichte sind Übungen gegen die Leere. Noch im „Aufgebenwol­len“ entdeckt sie ihren „Willen, nicht aufzugeben.“ 

Aus dem Erlebnis, aus der Anschauung steigen Metaphern auf, die zu Bild­blöcken sich fügen. Manchmal geht der Schnitt der Gedanken unter die Haut, aber der Schmerzenslaut bleibt in der Brust. Man hört ihn erst, wenn die Seele auf­gerissen wird. Hinter den schwarzen Bildern, der Klage über die „versengten Ideen'', den „verblassten Zauber der Erinnerung“, stehen unverrückt und un­verrückbar die „unsichtbaren Zeichen.” Es entsteht der Raum eines inneren Universums, in dem sich das eigentliche Geschehen begibt. Trotz aller Schmerzerfahrung, trotz einer nicht zu überhörenden metaphysischen Angst, bleibt die Sehnsucht nach dem „Rosenwort” unverschüttet. Hinter den streng abgezirkelten Landschaften ist der Schrittklang der Phantasie hörbar. „Das Losungswort heißt Liebe.”

Weil sie das Apokalyptische der Industrielandschaft spürt, erkämpft sie in einer Welt, die längst von Radardenkern und Computern umzingelt ist, von den brutalen Banalitäten des Alltags bedroht, mit dem Gedicht um ihr Traumland, das noch in lebendiger Fühlung mit dem Unaussprechbaren steht. Dieses Traumland existiert, auch wenn es nicht auf den Landkarten eingezeichnet ist. Die Gedichte Ilse Brems leben aus dem Glauben an die Möglichkeit der Menschwerdung in diesem und jedem Augenblick, auch in dem der Verzweiflung.

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Meine Arche Noah

 Am Fenster mein Azaleenschiff
die Arche Noah
meiner geretteten Träume,
weist blutfarben in Richtung Herz.

Ich wage an einem Verzweifelten
das Handauflegen.
Der Tag zahlt sich aus.

1986 Aufbruch zur Hoffnung   

 Gedichte und Fotografien von K. Schrittwieser    Edition Roetzer, Eisenstadt     ISBN 3-85374-157-6

Prof. Dr. Paul Wimmer
Schriftsteller und Literarhistoriker

ILSE BREM hat sich nie einer Modeströmung angeschlossen. Mit ihren Versen, die sie wie einen Mantel um ihre leichtverletzliche Seele legt, sucht sie sich vor dem Au­ßen und vor der Gewalt tauben Lärms zu schützen. Nicht, dass sie die Augen dabei schließt, im Gegenteil: sie saugt sich an der Welt und ihren Farben fest, an dem Wunder des Lebens,  für das sie immer neue Bilder ersinnt. Ihre Gedichte sind Wortanker für die Hoffnung und für verschollene Träume. Sie will - und so lautet auch der Titel eines ihrer Gedichte - „Zeugnis vom Licht" geben.

Die Schlüsselworte werden zur poetischen Situationsbezeichnung. Stille. Sehen. Licht. Atem schöpfen. Sehnsucht nach in­nerer Gemeinschaft. Das Ziel ist eine reine geistige Freude. Der Weg zu ihr führt durch die Liebe. „Es treffen alle Glocken der Stadt / nicht den Ton der Liebe''. Stimmungen, Gedanken und Gefühle stoßen sich immer wieder an der Realität wund. Aber auch aus der Sehnsuchtsqual und der Trostlosigkeit, die sie immer wieder bedrängt, spricht ein lebensbejahender Sinn: „Mit einem Gebet das Chaos im Kopf das Scherbengericht im Herzen kitten"

Das Erleben der Aktualität, die koexistenten Probleme der Politik werden nicht ausgeklammert, da jeder sittliche Mensch ebenso Politiker wie Dichter ist. Aber als echtbürtige Lyrikerin bleibt Ilse Brem nicht bei der bloßen Oberflächenspiegelung. Sie nährt die Flamme mit Herzblut. Ihre Gedichte  sind Zauberformeln  gegen die Leere - und eine einzige Vorbereitung,  so dass die Dichterin es wagt, „vom nachtdunklen Himmel abzulesen, was nirgendwo geschrieben steht".

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Appell zur Versöhnung

 Wir stehen tief
in jedermanns Schuld.
Wir können den Brotneid
nicht tilgen,
im Westen nicht
und nicht im Osten.
Er wird uns vertilgen
im Osten wie im Westen.

Schon lacht er sich heimlich
ins Fäustchen,
während wir mit Blindheit
geschlagen
im Westen wie im Osten
jeder gegen jeden
um den besseren Platz
an der Sonne kämpfen.

1985 Das Gesicht im Gesicht   

Kurzprosa, Gedichte und Grafiken von der Autorin
                               Edition Roetzer, Eisenstadt                                       ISBN 3-85374-085-5

 Dr. Dolf Lindner, ORF
Eloge für eine Künstlerin

ILSE BREM ist eine Zeichnerin der zarten Striche. Sie ist eine Malerin wasserdünner Aquarelle.

Sie ist eine Dichterin der feinen Worte. Nur eine Frau kann so hinter die Dinge sehen und durch das Medium ihres Ich diese Geheimnisse darstellen.  Manchmal streichelt sie die gewählten Worte mit zarten Händen. Das ist fühl- und lesbar in ihren Gedichten.

Lyrik schreibt sie, wie sie zeichnet und die Linien ihrer Zeichnungen sind wie Gedichtzeilen.

Sie liebt die kurze Prosa, ‚malt’  Satz für Satz. Man verfolgt das Geschehen leicht bis zu dem Punkt, an dem man erkennen muss, dass man längst in Bereiche geraten ist, die von der Realität durch Spiegelwände getrennt sind wie in Cocteaus "Orphee". Davon geht eine starke Faszination aus. Märchenhaft, mythische  Zwischenbereiche sind die Denkräume der Autorin. Dorthin verlockt sie die Leser, für diesen unmerklich, also gekonnt. Liebe Leser, lasst Euch verlocken. Ihr werdet es nicht bereuen!

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Aus „Die Balance“

Da vernahm ich hinter mir eine Stimme.“ Im Westen nichts Neues. Im Osten nichts Neues. Dazwischen nichts Neues. Alles wie immer“, informierte mich eine Stimme, ähnlich der eines Nachrichtensprechers. „Sie lächeln einander zu und planen ihre gegenseitige Vernichtung, sprechen vom Leben und bringen den Tod, sagen Liebe und meinen Verrat, umarmen sich mit einem Messer hinter dem Rücken, geben Versprechen ab, die sie niemals halten, rüsten auf und ab und ab und auf.

Faitres votre jeu... The show must go on...”

Suchend blickte ich mich nach der Herkunft der Stimme um. Ich konnte weder ein Radio, noch einen Lautsprecher, einen Fernseher oder ein Tonbandgerät entdecken und beschloss, rasch an den Tisch meines Freundes im Speisesaal zurückzukehren....

Doch auch mein Freund hatte sich während meiner Abwesenheit verändert. Er war viel größer und dünner geworden, als ich ihn in Erinnerung hatte und die Farbe seines sonnengebräunten Gesichtes war einem bleichen Grün gewichen. Trotzdem er todkrank aussah, schien er sich wohl zu fühlen, winkte mir fröhlich lächelnd zu, während ich mit Entsetzen sah, wie sich der Abstand zwischen ihm und mir vergrößerte, bis ich ihn, unerreichbar für mich geworden, am Horizont auf einer Wolke entdeckte. Im selben Augenblick zersprang hämisch lachend mein Spiegelbild in unzählige Stücke. Zu Tode erschrocken wandte ich mich in die Richtung meines Freundes, sah ihn kopfschüttelnd nach seiner Armbanduhr schauen und den Kellner, der als Leichenträger gekleidet war, mit einer Grablaterne bezahlen. Als ihm der Kellner das Wechselgeld in Form einer Grabkerze aushändigen wollte, hörte ich ihn mit der sterilen Stimme des Nachrichtensprechers aus dem Waschraum sagen: „Stimmt schon. Die Sache ist beendet. Sie kommt nicht mehr. Sie muss ihre Balance ohne mich finden. Im selben Augenblick entfaltete sich der Schirm, mit dem ich mich plötzlich in Ballettschuhen auf einem hoch gespannten Seil befand und in die Tiefe zu stürzen drohte. Mir Halt gebend, überraschte er mich mit der Aufschrift: „Schaffen heißt, das Unglück zu überwinden und seinem Schicksal eine Form geben!“

1984 Das Lied überm Staub     

Essays zu Autoren der Gegenwart     Calatra Press, Lahnstein, Deutschland                  ISBN 3-88138-070-1

 Franz Richter,  Generalsekretär des P.E.N-Zentrums Österreich

 ILSE BREM, die akzeptierte und anerkannte Lyrikerin, vermittelt mit Texthinweisen und vielen Zitaten fundierte Information über eine Epoche und einige Persönlichkeiten, wie Silvia Plath, Hertha Kräftner, Jesse Thoor, Marek Hlasko, Marlen Haushofer, um nur einige zu nennen, bei denen die lexikalischen und literaturgeschichtlichen Auskünfte noch spärlich fließen. Und doch schwingt in dieser „Dienstleistungsprosa“ - im Dienst der zu besprechenden Autoren und des geneigten Lesers - das Herz einer jungen Dichterin mit, welche ihre Sterne am Himmel sucht, um ihren Standort auf Erden zu bestimmen. Auf diese Weise wird einem Informationsbedürfnis Rechnung getragen, das ohne dieses Buch in einigen Fällen gar nicht so leicht zu befriedigen wäre.

1984 Stationen

Gedichte und Grafiken von der Autorin       Weilburg Verlag, Wiener Neustadt                        ISBN 3-900-100-26-8

Hans Weigel
(aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung und Lesung von Ilse Brem am 29. September 1983 im WIENER KUNSTLERHAUS)

 Ich bewundere die gleichrangige Doppelbegabung einer Grafikerin, Malerin und Schreiberin,  habe die Lyrik der Ilse Brem sehr gerne und freue mich, wenn ich sie in verschiedenen Zeitschriften lese. Sie ist ehrlich und nicht snobistisch. Wenn sie Alleen sagt, dann sieht man eine Allee vor sich. Es ist eine grandiose Laune des Nichtzufalls, dass heute dieser schönste aller Herbsttage ist, und dass die Lyrik der Ilse Brem eine Lyrik ist, die sehr viel mit Herbst zu tun hat, dass sie nicht das Melancholische, sondern das Farbenfrohe, fast möchte ich sagen, das Philosophische des Herbstes immer wieder in ihre Gedichte hineinbringt

Ich habe mir zwei Stellen aus ihren Gedichten, die sie heute vorlesen wird, herausgesucht, die eine ist, „mein mit Worten gefülltes Schweigen“. Das ist eine sehr, sehr schöne Formulierung, und später habe ich mir ein anderes Gedicht angezeichnet Es ist ein Oktobergedicht, in dem es heißt: „. . . der tote Igel am Straßenrand signalisiert, aus welchem Stoff wir sind.“

Da gefällt mir das Wort „signalisiert“ so gut. Das zeigt, dass das eine Lyrikerin ist, die in der heutigen Sprache schreibt, das heutige Vokabular zu ihrem Vokabular macht und die doch nicht pseudosachlich wirkt, und wie großartig das Wort »signalisiert" in einen lyrischen Text hineinpasst, das spricht für die Persönlichkeit, die Besonderheit dieser hochbegabten Lyrikerin, Grafikerin und Malerin.

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Herbst

 Platanen und Eiben
werfen ihre Kleider ab.
Es lichten sich die Alleen.

Die Zeit ist gekommen,
da die Sache einen unbestechlichen
Charakter annimmt,
die geplünderten Nester
die Wahrnehmung verschärfen,
die Veränderung der Kastanie
das Gelb im Lindenbaum
den behutsamen Umgang
mit der Stunde lehren.

 Der tote Igel
am Straßenrand signalisiert,
aus welchem Stoff wir sind.

Am Ort meiner Kindheit

glattrasiert die Felder,
am Zerfall die Fichte,
eingeebnet das Gesicht
des Vaters.

Im Garten blüht
Malvenblau der Tag,
nimmt der Rost zu,
die Spinnwebe,
mein
mit Worten
gefülltes
Schweigen.

1983 Lichtpunkte     

Gedichte und Grafiken von der Autorin     Carinthia-Verlag, Klagenfurt      ISBN 3-85378-210-8

Albert Janetschek, Niederösterreichischer P.E.N-CLUB

Ein geglücktes Gedicht ist eine ausgewogene Mischung von Wort und Schweigen. Zum Gesagten gehört das Ausgesparte, zum Fluss der Verse die Zäsur, die dem Leser den gedanklichen oder gefühlsmäßigen Nachvollzug ermöglicht.

Dichten ist dasselbe wie Radium gewinnen, / Arbeit: ein Jahr, Ausbeute: ein Gramm, heißt es in Majakowskis „Ge­spräch mit dem Steuerinspektor über die Dichtkunst“ - eine Feststellung, die von den meisten Lyrikern, die sich heute zum Schreiben berufen fühlen, leider zu wenig beachtet wird. Mit der Anhäufung wohlklingender Wörter ist es eben nicht getan, wenn der Wohlklang die innere Folgerichtigkeit eines Gedichtes überdeckt.

ILSE BREMS Verse besitzen diese innere Folgerichtigkeit, und es ist sehr viel Musik in ihnen. Das Musikalische geht jedoch keineswegs auf Kosten des Ar­chitektonischen, das für die nötige formale Geschlossenheit sorgt.

 „Ich sage mir / den Kampf an / zwinge mich / vor mir nicht auszuweichen / . . .“. In Ilse Brems Gedichten ist immer auch etwas von diesem Kampf zu spüren - besonders in ihren lapidaren, die wohl am ehesten dem entsprechen, was Maja­kowski mit seinem Vergleich von Dichten und Radium gewinnen meint.

Mit all ihren „Schnittwunden“, die sie sich beim „Einsammeln der Scherben“ zugezogen hat, legt die Autorin noch „Zeugnis“ ab von der Fülle des Lebens.

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Das Zeugnis

Mit Schnittwunden
noch einsammeln
die Scherben
als Zeugnis vom Leben.

Ich zu mir

Ich halte mich fest an mir,
nehme mich an der Hand,
spreche mir Mut zu,
gehe mit mir in den Park,
kaufe mir eine Blume.  

Ich sage mir den Kampf an,
zwinge mich,
vor mir nicht auszuweichen,
verlange von mir,
mich nicht im Stich zu lassen,
mich nicht aufzugeben.
Ich verordne mir zu leben.  

1981 Beschwörungsformeln

Gedichte und Grafiken von der Autorin       Edition Roetzer, Eisenstadt           ISBN 3-85374-085-5

Milne Holton, Professor  für Englisch, Maryland, USA
Mitherausgeber der Anthologie  " Österreichs Lyrik heute"

ILSE BREM ist heute in Wien eine glänzende und erfreuliche Stimme, ein poetisches Talent, dessen Möglichkeiten am Beginn sind, sich zu verwirklichen, eine Dichterin und Künstlerin von einem feinen, empfindsamen Talent. Ilse Brem nimmt sicher ihren Platz in der gegenwärtigen Generation von Österreichs ausgezeichneten Lyrikerinnen ein.

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Lügen

Zitronengelb
giftgrün
leichenschwarz
mandelbitter
essigsauer
bleischwer
nadelspitz
messerscharf
fallen
deine Lügen
in meine
schlaflosen Nächte.

Dämmerung

Schleifmaschinen
zerren im Morgengrauen
die Gedanken
durch Mauerritzen
und Glasscherben
in blinde Spiegel.

In Kellern
hinter vergitterten Fenstern
lagern stapelweise
in Bündeln verschnürt
weiße Giftwürfel.

Auf dem
Balkongeländer
gehen
ahnungslos
die Tauben
spazieren.

1979 Spiegelungen

                Gedichte                       Heimatland-Verlag,  Wien         ISBN 3-85384-030-2

 Farbe, Form, Schönheit, Sprachgefühl und tiefes Empfinden sind jene Komponenten, die die Lyrik von Ilse Brem kennzeichnen. Deutlich erkennbar, dass dieser junge Mensch mehrere künstlerische Begabungen aufweist. Die Umsetzung in das gemalte Bild ist aber viel weniger problematisch als die Umsetzung in das Wort. So gab und gibt es immer wieder Perioden in ihrem Leben, in der die eine oder andere Kunstrichtung vorherrscht. Dies ist nun der erste Lyrikband, in dem Menschen, Umwelt, Kritik an der Gegenwart und an unguten Zuständen  in der Welt auftreten. Das Wort wird bildhaft, symbolisch, oft abstrahierend und strahlt damit Stärke, Kraft und Einprägsamkeit aus. Schönheit  in der Sprache, Liebe zum Ausdruck, zum Wort, zum Klang, ergeben eine Lyrik, die verständlich und klar ist und dennoch nicht einer eigenartigen Faszination entbehrt, die an Hölderlin und Rilke erinnert, obwohl sie völlig von den gegenwärtigen Charakteristiken und den gegenwärtigen Ausdrucksmitteln in eigenwilliger Gestaltung und in neuer, meist freirhythmischer Form geprägt ist.

Johanna Jonas-Lichtenwallner

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Notiz

Gebrandmarkt alt im Mutterleib geschwommen,
mit faltigem Gesicht geboren.
Das erste Lächeln
das Lächeln des Greises,
im Erlernen der Sprache
ihr Verlernen.

Die bunten Vögel

Über  Nacht haben die bunten Vögel,
die so schön sangen
und die Vorübergehenden lächeln machten,
ihrem Herrn nicht mehr gefallen.

Am Morgen lagen sie,
mit zerstörtem Gefieder,
durchschnittenen Kehlen,
willkürlich verstreut,
in seinem Garten,
Ihr Herr hatte nie darüber gesprochen,
aber allen, die in seinen
Garten gesehen hatten,
verging das Lächeln – und-
vergessen werden sie nie.